Zeichenunterricht – vom Artefakt zur archäologischen Zeichnung

Warum werden archäologische Objekte gezeichnet und nicht nur fotografiert?

Warum werden archäologische Objekte gezeichnet und nicht nur fotografiert? Diese Frage stellen mir die Archäologie-Studenten meistens zuerst. Die Antwort liegt in den vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten einer Zeichnung.


In den Anfängen archäologischer Forschung war die Zeichnung das wichtigste Mittel, Entdecktes visuell zu dokumentieren und in wissenschaftlichen Publikationen zu veröffentlichen. Der damalige Anspruch auf hochwertig künstlerische Darstellungen von Kleinfunden und Architektur z.B. durch Kupferstiche, hat sich jedoch im Laufe der Zeit gewandelt. Heute steht die Vermittlung von Detailinformationen durch genau definierte Zeichenregeln im Vordergrund: Die Anwendung unterschiedlicher Darstellungen der Oberflächen und Strichstärken, Schnitte durch Objekte und Rekonstruktionen, aber natürlich auch eine visuell ansprechende Zeichnung.


Aus diesen Gründen kann auch heutzutage nicht auf archäologische Zeichnungen verzichtet werden. Ein Beispiel aus der Praxis: Im mittelägyptischen Abydos zeichnete ich Kleinfunde der frühen Königsgräber. Viele Artefakte wie Spielsteine, Schmuck oder reich verzierte Messergriffe wurden häufig aus Elefanten- oder Nilpferdzahn geschnitzt. Trotz ihres hohen Alters von bis zu 5300 Jahren ist der Erhaltungszustand der Objekte auf Grund des konservierenden, trockenen Wüstensandes erstaunlich gut, wenn auch viele Stücke zerbrochen oder von Termiten angefressen sind.


Bei der Anfertigung einer archäologischen Zeichnung dieser Kleinfunde werden Bruchstellen und zerstörte Oberflächen weiß belassen. Nur im ursprünglichen Zustand erhaltene Teile des Objektes werden mit Bleistift schattiert. Auf dokumentierenden Fotos hingegen ist oft nur schwer erkennbar, was Original oder Schaden ist. Zudem weisen viele Kleinfunde noch Reste von Bemalung oder Farbpasten auf, die ein geschultes Auge noch in kleinsten Spuren erkennt und zeichnerisch wiedergeben kann. Auf einem S/W Foto sind sie nicht mehr erkennbar.


Zusätzliche zeichnerische Informationen über Kleinfunde bieten an prägnanten Stellen durchgeführte Schnitte, die auf den ersten Blick deutlich machen, ob ein Objekt rund, oval, hohl oder massiv ist.

 

Der dritte Vorteil einer archäologischen Zeichnung gegenüber der Fotografie ist die Möglichkeit der zeichnerischen Rekonstruktion. In Zusammenarbeit mit dem Archäologen und durch Vergleich mit besser erhaltenen Kleinfunden derselben Art kann auf dem Papier das ursprüngliche Objekt aus vielen Einzelteilen wieder zusammengesetzt werden.


Im Unterrichtsfach “archäologisches Zeichnen” vermittele ich den Studenten Schritt für Schritt die archäologischen Zeichentechniken und Darstellungsweisen.

Als Erstes das genaue Betrachten des Kleinfundes: Welche Funktion hatte es? Aus welchem Material besteht es? Welche Ansichten muss ich zeichnen, um es optimal aus der dreidimensionalen Ebene in die zweidimensionale zu transportieren?

 

Danach folgen die zeichnerischen Etappen: Umriss, Innenzeichnung und Kennzeichnung der Bruchstellen. Alles so millimetergenau wie möglich. Erst dann folgt die plastische Hervorhebung durch Schattieren mit dem Bleistift. Zuletzt werden Schnitte erzeugt und Rekonstruktionen gestrichelt dargestellt.


Ein weiteres Thema im Unterricht ist die Umsetzung einer Bleistiftzeichnung für den Druck der archäologischen Publikation. Entweder klassisch mit Tuschestiften, die Plastizität wird durch feine Punkte erreicht, die ein gezeichnetes Raster erzeugen und je nach Dichte, Dunkelheit oder Helligkeit simulieren.

 

Oder eine moderne und zeitsparende Variante, die Symbiose von digitaler und Bleistift Zeichnung mit Zeichenprogrammen. Hier werden Konturen und Schnitte digital gezeichnet, die plastische Bleistiftzeichnung eingefügt. Das ergibt einerseits ein sehr lebendiges Bild, andererseits sind alle Linien sehr exakt (siehe die ersten sechs Zeichnungen im Menüpunkt “klassische Bleistiftzeichnungen“).

 

Studenten die einen Computer bzw. Laptop mit den Adobe Zeichenprogrammen Illustrator und/oder Indesign zur Verfügung haben, unterrichte ich auch gerne in die Technik der Aufnahme einer kompletten digitalen Zeichnung anhand eines Fundphotos (siehe die Zeichnungen im Menüpunkt “digitale Zeichnungen“).


Neben der Vermittlung der praktischen Regeln, ein archäologisches Objekt für wissenschaftliche Zwecke zu visualisieren und auswertbar zu machen, versuche ich, den Blick der Studierenden für Formen und Details zu schärfen, die das Wesen eines Kleinfundes ausmachen und vielleicht den Menschen erahnen lassen, der es einmal geschaffen hat. Dadurch bekommt ein Beruf, der sich mit der Vergangenheit der Menschheit und ihren Hinterlassenschaften beschäftigt eine neue, lebendige Qualität.

 

 

Unterricht

  • In meinem Atelier stehen vier Arbeitsplätze für kleine Gruppen zur Verfügung, gerne unterrichte ich auch einzelne Personen.
  • Optional unterichte ich in den archäologischen Fachbereichen eine Gruppe von Studierenden in einem Semester oder Blockseminar.

Meinen Erfahrungen als Dozentin für archäologische Zeichnungen an der FHTW Berlin und in der Fakultät für klassische Archäologie in Leipzig haben gezeigt, das mehrere Termine mit 3 bis 4 Stunden Zeichenunterricht notwendig sind, um Erfolge zu sehen.

Gerne bespreche ich die Details telefonisch oder persönlich.